Wie das mit der Langeweile der begabten Kinder in der Schule ist …

Wir haben in dem Beitrag “Auf Langeweile konditioniert” nach weiteren Beispielen gefragt. Über die Langeweile von begabten Kindern wird viel geredet, oft genug wird sie als eine Art von Luxusproblem abgetan. Weit gefehlt. Hier Informationen, was dahinter steckt.

Jeden Tag um die gleiche Zeit schaltet das Gehirn auf Action

Zur Hinführung ein Beispiel aus einem scheinbar ganz anderen Bereich: Ein Vater, der sein Baby zum Joggen mit nimmt. Jeden Tag um 17.00 Uhr geht es in den Park. Das Baby hört den beschleunigten Atem des Vaters, die Äste der Bäume fliegen über ihm vorbei, sein Wagen schaukelt und hüpft gelegentlich – kurzum: Action pur für einen Menschen von 6 Monaten. Nach einigen Wochen beginnt es mit Anzeichen der bevorstehenden Action bereits einige Minuten vor der regelhaften Zeit. Sein Gehirn hat sich an die Tagesstruktur angepasst und bereitet sich auf das Bevorstehende vor. Hoffentlich hat der Papa nicht Schnupfen, denn die Action des Babys geht jetzt los, auch wenn er nicht in den Park geht. Das Gehirn passt sich den Gewohnheiten seines Besitzers an, es ist “plastisch”.

So auch das Gehirn der hochbegabten Kinder mit Langeweile: Mit ihnen geschieht das Gleiche wie mit dem Baby, nur in umgekehrter Richtung, hin zum Sparmodus. Die Botenstoffe im Gehirn der gelangweilten SchülerInnen bereiten auf die zu erwartende Situation vor, nämlich einen Unterricht, der nicht zu ihnen passt. Schauen wir uns näher an, wie diese tägliche Situation beschaffen ist:

Leistungslust in der Schule beruht aus dem Kreislauf der Gefühle bei der Arbeit an einer Aufgabe: Sorge vor Misserfolg/Anstrengung/Durchhalten/Sieg. Physiologisch entspricht diesem Kreislauf ein Wechsel von Botenstoffen im Gehirn, der einmündet in die Ausschüttung von Endorphinen. Die Kinder, die es geschafft haben, beenden ihre Aufgabe mit positiven Gefühlen.Das Gehirn belohnt sich selbst. Nun ist es aber so, dass hoch Begabte im Unterricht häufig gar keine Herausforderung erleben: Die Aufgabenbearbeitung ist (für sie) nicht anstrengend, Durchhalten müssen sie nicht, weil sie schnell sind. Und aus diesen Gründen erleben sie auch keinen Sieg. Während ihre Klassenkameraden sich um die Bewältigung der Herausforderung mühen und dabei den ganzen Spannungsbogen durchlaufen, schauen sie zu. Während die Aufgabe den Anderen zurückmeldet, dass sie Sieger sind, gehen die Hochbegabten leer aus. Wo kein Kampf, da kein Sieg. Während die Anderen Grund zur Selbstzufriedenheit haben, sind die hoch Begabten verdrossen, weil die eigentliche Herausforderung für sie an anderer Stelle lag. Sie mussten ihre Wünsche nach Action anpassen, damit sie keinen Ärger bekommen; sie durften also nicht Interessanteres tun – wie etwa Schwätzen, das Federmäppchen des Nachbarn untersuchen, unter dem Tisch ins Handy schauen. (In unserem Aufsatz “Ursachen des Misslingens von Schulkarrieren” haben wir die neurobiologischen Hintergründe genauer berichtet.)

Plastizität des Gehirns heißt hier: Der Zustand des Kindes fällt mit Unterrichtsbeginn in den Sparmodus. Es hat (im gute Fall) für sich Routinen entwickelt, den Unterricht zu überstehen, ohne mit Eltern und Lehrern Stress zu bekommen.Es geht ihm aber schlecht, weil die Unterrichtszeit nicht emotional strukturiert wird, sondern kontinuierlich auf dem gleichen Ton verläuft. Was daraus im Lauf der Lernbiografie wird, hängt von der Person des Kindes und den Chancen ab, die Passung zwischen Leistungsmöglichkeit und Leistungsanforderung zu verbessern. Die physiologische und seelische Erfahrung von Leistungslust ist die Grundlage für Leistungsmotivation zunächst in der Schule, dann darüber hinaus. Etwa 80 % der hoch begabten Kinder können das Risiko des Regelunterrichts aus eigener Kraft oder mit Hilfe ihrer sozialen Umgebung kompensieren. Aber: Etwa 20 % erleben mindestens eine Episode von Leistungs- oder Verhaltensproblemen – und etwa 7 % schaffen es nicht, sondern müssen in Hauptschulen oder Förderschulen unterrichtet werden.

Schreibt uns über eure Erfahrungen mit Langeweile im Unterricht, eigene Erfahrungen oder mit erlebte!

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