Die Kunst der Quatscherkennung

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Massimo Pigliucci  ist Professor für Philosophie am Graduate Center der City University of New York.

Das Paradox der Unwissenheit in unserer Zeit: Einerseits werden wir ständig mit Meinungen von Experten aller Art – mit oder ohne Doktortitel – bombardiert, die uns genau sagen, was wir zu denken haben (aber selten, warum wir es denken sollten). Andererseits sind die meisten von uns kläglich wenig in der Lage, die ehrenhafte und unerlässliche Kunst der Quatscherkennung (oder, höflicher ausgedrückt, kritischen Denkens) zu praktizieren, die in unserer modernen Gesellschaft so wichtig ist.

Der Mangel an kritischem Denken

Schauen wir das Paradox auf eine andere Weise an: Wir leben in einer Zeit, in der Wissen – im Sinne von Informationen – ständig über Computer, Smartphones, Tablet-PCs und Buchlesegeräte in Echtzeit verfügbar ist. Aber wir haben immer noch nicht die grundlegende Fähigkeit, über solche Informationen kritisch nachzudenken und die Goldkörner in dem ganzen Dreck zu finden. Wir sind unwissende Massen, die von Informationen überflutet werden.

Es kann natürlich sein, dass es der Menschheit schon immer an kritischem Denken gemangelt hat. Aus diesem Grund lassen wir uns immer wieder dazu überreden, ungerechte Kriege zu unterstützen (ganz zu schweigen davon, in diesen tatsächlich zu sterben) oder Leute zu wählen, deren Haupttätigkeit darin besteht, so viel Geld für die Reichen anzuhäufen, wie es überhaupt geht. …

Es geht um die Zukunft

Aber die Notwendigkeit kritischen Denkens war noch nie zuvor so groß wie im Zeitalter des Internets. Zumindest in den entwickelten Ländern – aber auch zunehmend in Entwicklungsländern – besteht das Problem nicht mehr darin, Zugang zu Informationen zu bekommen, sondern in der mangelnden Fähigkeit dazu, diese Informationen zu verarbeiten und Sinn daraus zu ziehen. …

Dies kann und muss sich ändern. Dazu brauchen wir eine Basisbewegung, die über Blogs, Online-Magazine und -Zeitungen sowie Vereine und andere passende Medien die erzieherischen Möglichkeiten nutzt, um die Fähigkeit zum kritischen Denken zu entwickeln. Immerhin wissen wir, dass es dabei um unsere Zukunft geht.


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  1. Kerstin Haugrund 25. Juli 2012 at 11:33

    Kritisches Denken ist in einigen Ländern ein eigenes Unterrichtsfach – weshalb nicht auch bei uns in Deutschland?
    Laut einer bislang unveröffentlichten Umfrage unter deutschen Philologie-Professoren beklagen diese die mangelnden geistigen Fähigkeiten junger Studenten. Nun sind die mit PISA und anderen Studien untersuchten Schwächen und nachgewiesenen fehlenden Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler – und damit die Mängel des deutschen Schulsystems – in den Hörsälen angekommen.
    Neben mangelhafter Grammatik, schlechtem Satzbau, fehlender Lesekompetenz und massiven Problemen mit der Rechtschreibung, beklagte Professor Gerhard Wolf von der Universität Bayreuth am 23.07.2012 in einem Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa: „Ein Problem ist auch die mangelnde Fähigkeit mancher Studenten, selbstständig zu formulieren und zusammenfassende Texte zu schreiben“. Nur wenige Studenten seien beispielsweise in der Lage, eine Vorlesung mit eigenen Worten angemessen zusammenfassen. „Viele Studenten können kaum noch einen Gedanken im Kern erfassen und Kritik daran üben“, sagte Wolf.
    „Mit der argumentativen Logik haben es die Studenten immer weniger. Diese Fähigkeiten gehen langsam verloren“, fügte der Germanist hinzu, der in Bayreuth deutsche Literatur lehrt. … (siehe http://www.handelsblatt.com/panorama/aus-aller-welt/viele-fehler-professoren-beklagen-schreib-schwaeche-bei-erstsemestern/6910956.html )
    Ich freue mich deshalb auf den Kinder-Workshop im Herbst, der nicht nur die Langeweile in Schulen als Ausgangsproblem thematisiert, sondern gezielt Denktraining verordnet.
    Kerstin Haugrund

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