Denktraining

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Denktraining bei hoch Begabten? ja gerade.
Die Reorganisation des Gehirns findet bei diesen Kindern verschieden, weil abhängig von ihrer Intelligenz, zwischen dem 8. und 12. Lebensjahr statt – mit wichtigen Folgen für das Lernen.
Bild: http://www.oahome.org/campaigns/child-enrichment-fund.aspx
Sie haben viel mehr Material zuzuordnen und abzulegen als Kinder mit einer durchschnittlichen Begabung. Ihr Problem ist das Zuviel, sie brauchen nicht noch mehr Wissen, sondern Hilfe zum Umgang mit Wissen. In den letzten zehn Jahren haben die Neurowissenschaften uns manches, was wir auch zuvor schon wussten, bestätigt und in neue Zusammenhänge gestellt. Dazu gehört auch die Strukturierungsnot der hoch Begabten in den ersten Klassen des Gymnasiums, also im Alter zwischen 11 und 14 Jahren. Der Aufsatz ’Hochbegabung und Psychische Störungen‘ enthält Hintergründe für diese fast paradoxe Situation der Kinder.Die Strukturierungsnot der Kinder führt zu der didaktischen Forderung nach
Reduktion und Ausweitung des methodischen (metakognitiven) Denkens. Leider werden aber noch immer als häufigste Form einer vermeintlichen Hochbegabtenförderung Enrichments eingesetzt, die in attraktive Inhaltsfelder führen und damit den “Stoff” ausweiten, anstatt die Strukturen zu stärken.
Uns würde interessieren, welche Erfahrungen Eltern und LehrerInnen damit haben!

Bild: http://www.oahome.org/campaigns/child-enrichment-fund.aspx

 

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  1. Meine Tochter ist acht Jahre alt und hat genau dieses Problem, jedoch mit Inhalten aus dem Alltag. Sie kann sich alles Mögliche merken und weiß nicht genau wohin mit all den Informationen. Abends kann sie dann oft nur sehr schlecht einschlafen, weil sie noch die so viele Erlebnisse und Inhalte in ihrem Kopf ordnen möchte…

    • Sprechen Sie mit ihr darüber und bieten Sie ihr an, Dächer für das Gewusste zu finden. Auf die Weise entsteht eine Straße mit Häusern, in denen unterschiedliches Wissen zusammen wohnen kann, ohne durcheinander zu geraten. Sie werden das Bild mit ihr ausbauen können.
      Die amerikanischen Kinder diesen Alters lernen bereits ganz formal “systematisches Assoziieren” und “Klassifizieren”. Die Kinder können das gut und nehmen den Vorschlag ohne Schwierigkeiten auf. Nur uns Erwachsenen scheint das zu trocken, zu wissenschaftlich, zu kindfern …

  2. Ich frage mich, ob Enrichment mit interessierenden Inhalten und Strukturierungshilfe sich wirklich ausschließen? Wenn dieses Enrichment durch die Freiheit von curricularen Zwängen ein “anderes” Arbeiten ermöglicht, kann es dann nicht “auch” mit Strukturierungslernen verbunden sein? Die interessierenden Inhalte fördern eine hohe Motivation und die anspruchsvolle Fragestellung FORDERT ein forschendes, elaboriertes, strukturierendes (Er-) Arbeiten? Das so gelernte und geübte Strukturieren ist ja nicht inhaltsgebunden und kann auch auf andere (auch curriculare) Inhalte übertragen werden. So habe zumindest ich die innerschulischen Enrichment-Angebote, an denen unser Sohn (15) in den letzten Jahren teilnahm, überwiegend wahrgenommen.
    Bleibt natürlich die Frage, ob indirektes, situationsgebundenes Strukturierungslernen für Hochbegabte genügt, oder ob ein explizites Denktraining hier bessere Dienste leistet?

    • Das ist eine sehr wichtige Frage,weil sie auf den Nutzen der am weitesten verbreiteten Begabungsförderung zielt. Enrichments haben zunächst einen motivierenden Effekt: 1. Die Kinder treffen auf Andere, mit denen es weniger Missverständnisse, ähnliche Interessen und problemloseres wechselseitiges Verstehen gibt. Diese Erfahrung ist für manche Kinder noch wichtiger als der Inhalt. 2. Der anspruchsvolle Inhalt fordert (im guten Fall) die Anstrengungsbereitschaft heraus und führt so zum Erleben des wichtigen Zusammenhangs von Arbeit und Erfolg. Auch das eine Erfahrung, die unbestreitbar wichtig ist.
      Unter der Frage der Förderung entgleiten diese Effekt aber wieder. Wenn der Kurs vorbei ist, dann ist auch ein großer Teil der unterstützenden Wirkung weg.
      Inhaltlich führen Enrichments in eine ähnliche Richtug wie Expertisierung; die Kinder erwerben anspruchsvolles Wissen, entweder in verschiedenen Feldern oder in einem Spezialgebiet. Indirekte Effekte für die allgemeine Lernfähigkiet sind wahrscheinlich und zweifellos ebenfalls nützlich.
      Hier ganz plakativ das Gegenstück, das mit strukturierendem Lernen verbunden ist. Ausgangsannahme ist, dass Hochbegabung im Sinn der in den Tests gemessenen fluiden Intelligenz (das genetisch angelegte kognitive Funktionieren) zu einer quantitativ umfassenderen Informationsaufnahme und -speicherung führt. Weiter, dass diese Menge nur unzureichend in geeigneten Zuordnungen abgelegt werden. Die Informationsvielfalt ist für Transfer, produktive Assoziation und Subsumtion, also Weiterverarbeitung schlecht erreichbar, dagegen (bei Hochbegabten) als Flut von Einzelwissen präsent. An einem berühmten Beispiel: Kinder können die großen Städte eines Kontinents lernen, sie können aber auch auf einer geografischen Karte erwägen, wo sie Städte bauen würden, ohne die Namen zu kennen. Im ersten Fall entsteht eine Namensliste mit umgebenden Informationen, im zweiten Fall eine Struktur (Bedingungen menschlichen Siedlungsverhaltens), in die alle denkbaren Städte der Welt eingeordnet werden können. Solche Strukturen wirken reduzierend und ordnend und begegnen so der Wissensfülle auf einer unmittelbar kausalen Ebene.
      Eine solche Didaktik des Strukturlernens kann natürlich auch in Enrichments praktiziert werden. Aber die Aufbereitung von Inhalten unter Strukturgesichtspunkten und ihre Umsetzung in Lernsequenzen ist zeitlich und intellektuell anspruchsvoll. In der empirischen Auswertung von Enrichments zeigt sich, dass diese Vorgehensweise im Gegensatz zu Expertisierungen kaum gewählt wird.

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