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Erweiterung der Qualifikation im IGL

Der Leiter des Instituts, Dipl.-Psych. Thomas Eckerle, hat sich zum Montessoripädagogen ausbilden lassen, eine gute Voraussetzung, um die dichte Zusammenarbeit mit einigen Montessorischulen weiter zu entwickeln. Die Montessori-Pädagogik kommt mit ihren individualisierenden Unterrichtsweisen den Bedürfnissen vieler Hochbegabter besonders entgegen. Ihre Methoden, zunächst für den Grundschulbereich entwickelt, auch werden inzwischen auch in der Sekundarstufe I weitergeführt.

 

Forschungsförderung

Die BGAG-Stiftung Walter Hesselbach hat die wissenschaftliche Dokumentation der Erfahrungen des IGL mit 20 000 Euro gefördert. Das Projekt umfasste die Auswertung von Daten, die in unserem Institut für Leistungsentwicklung bestehen. Es handelt sich um die Anamnesen und Testergebnisse von etwa 5000 Kindern und Jugendlichen, die aus zwei Gründen getestet wurden:

  • Störung der Normalbiografie
  • Annahme einer Hochbegabung.

Die Testergebnisse umfassen bei etwa 1 500 Probanden auch die Daten des Frankfurter Inventars, einer Bündelung von Persönlichkeitstests, die insgesamt eine umfassende Beschreibung der individuellen Entwicklung bieten. In etwa einem Drittel der Fälle liegen Daten aus längerfristigen Coachings vor. Bei etwa 45 % der Probanden hat sich die Annahme einer Hochbegabung (IQ höher als 130) bestätigt, bei weiteren 30 % liegt eine weit überdurchschnittliche Begabung vor. Diese aus den Akten des Instituts für Leistungsentwicklung zusammenzutragenden Daten sind geeignet zur Prüfung von Annahmen, die in der pädagogischen Forschung und der Hochbegabtenpsychologie bestehen und bildungspolitische Entscheidungen begründen.

Annahmen

  1. Hochbegabung begründet ein Risiko für die Leistungsentwicklung und die soziale Integration.

Erläuterung: Diese Annahme stützt sich überwiegend auf die Tatsache, dass es zwischen 15 und 20 % hochbegabter Kinder und Jugendlicher gibt, die bedeutsame bis dramatische Störungen der Entwicklung zeigen. (Die Schätzung des Anteils der Hochbegabten an der Gesamtpopulation liegt bei etwa 2 %.) Strittig ist die Erklärung dieser Tatsache. Eine Position, die als wissenschaftliche Außenseitermeinung gilt, ist die der Marburger Hochbegabtenstudie von Detlef Rost. Danach besteht zwar der angeführte Prozentsatz von Entwicklungsstörung bei Hochbegabten; da er aber dem Prozentsatz bei der Gesamtpopulation entspreche, gebe es keinen Grund, die Störungen kausal auf Hochbegabung zurückzuführen. Prüfung: Die Verläufe mit Hochbegabung und Entwicklungsstörung müssen eine Typik aufweisen, die sie von denen ohne Hochbegabung klar unterscheidet. Der Eindruck einer solchen Typik ergibt sich in eindeutiger Weise aus der Praxis (vgl. dazu weiter Annahme 2).

  1. Das Scheitern der Hochbegabten ist kausal auf Schule zurückzuführen. Das Risiko ergibt sich aus dem Missverhältnis zwischen Anforderungsniveau der Schule und den Leistungsmöglichkeiten des Kindes (Passungsstörung, Unterforderung).

Erläuterung: Diese Auffassung ist Ergebnis einer (Fall-) Studie des Bundesministeriums für Bildung und Forschung aus dem Jahr 2001. In dieser Studie wird insbesondere darauf hingewiesen, dass das Scheitern der Hochbegabten eine spezifische Kausalität und stereotypen Ablauf zeige, der diese Zielgruppe von der Gesamtpopulation klar unterscheide (Schlichte-Hiersemenzel für den BMBF, im Auszug in der Anlage). Diese Studie ist geeignet, die Auffassung der Marburger Studie in Frage zu stellen. Beide Studien arbeiten aber mit geringen Fallzahlen. Die Marburger Studie hat bei einer repräsentativen Stichprobe von etwa 5500 zufällig gezogenen Probanden 8 hochbegabte Problemjugendliche gefunden, was statistisch etwa dem oben genannten Prozentsatz entspricht (20 % von 2 %). Diese kleine Zahl war aber nicht geeignet, systematische Tendenzen innerhalb der Zielgruppe (also der 8 Probanden, die hochbegabt und verhaltensgestört sind) aufzudecken. Die zentrale These, dass die Arbeitsweise der Regelschule ein Risiko für hochbegabte Kinder und Jugendliche darstelle, ist seitdem nicht geprüft worden; sie wird insgesamt wenig diskutiert, sondern eher tabuisiert. Umgekehrt laufen viele Programme, um hochbegabte Kinder in der Regelschule zu unterstützen, ohne dass sie über sich selbst hinaus Wirkungen in der Breite erzeugen. Prüfung: Das Problem der geringen Zahl muss gelöst werden. Das ist der allgemeine Grund für den Vorschlag, die Daten unseres Instituts in die Forschung einzubringen. Die Daten sind geeignet, den Zusammenhang zwischen schulischem Verlauf und Verhaltensentwicklung quantitativ und qualitativ zu erfassen.

  1. Bei den hochbegabten Kindern, die eine riskante Entwicklung nehmen, ist fast immer auch eine Bindungsstörung zu beobachten, d.h. dass auch die Primärbeziehungen innerhalb der Familie betroffen sind.

Erläuterung: Die Verläufe zeigen grundsätzlich zwei Abfolgen, die nach dem Anfangsstadium in Wechselwirkung verlaufen:

  • 1. Ein kritisches Ereignis im familiären Feld schwächt die Möglichkeiten des Kindes, mit der Unterforderung der Schule umzugehen (traumatische Belastung).
  • 2. Die problematische Leistungsentwicklung des Kindes greift über in das Zusammenleben der Familie und verändert die Rolle (in der Regel) der Mutter, die die schulischen Forderungen als Auftrag an die Familie aufnimmt. Die Unsicherheit der Eltern bei der Führung dieser Kinder verstärkt das Risiko aus der schulischen Passungsstörung. Prüfung: Die anamnestischen wie die Coachingdaten sind geeignet, die Anfangsverläufe in Familie und Schule quantitativ und qualitativ zu erfassen und deren Wechselwirkung zu zeigen.

Begründung für die Bedeutsamkeit der Fragestellungen

Die Zahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen ist trotz des prozentual niedrigen Anteils in absoluten Zahlen hoch. Die Zahl der in der Bundesrepublik in allgemeinbildenden Schulen unterrichteten Kinder und Jugendlichen beträgt etwa 9,4 Mio, davon sind etwa zwei Prozent hochbegabt, also 188 000 SchülerInnen. Bei zwanzig Prozent davon konkretisiert sich das Risiko (37 000). Schätzt man die dramatischen Fälle vorsichtig statt mit 20 % mit nur 5 %, dann ergibt sich eine Zahl von 9 400 SchülerInnen. Diese sind so schwerwiegend betroffen, dass ihre Bildungslaufbahn nicht gelingt. Sie werden ausgeschult (Ruhen der Schulpflicht) oder verbleiben in Sonderschulen für Erziehungshilfe, wo sie gemeinsam mit lernschwachen SchülerInnen beschult werden. In der Regel ist das Jugendamt eingeschaltet, die Kinder werden meist außerhalb der Familien untergebracht, weil sie schwere Verhaltensstörungen zeigen. Die finanzielle Belastung für eine Unterbringung und Beschulung in einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe liegt bei monatlich über 4000 Euro. Aus wirtschaftlichen wie aus menschlichen Gründen ist eine wirksamere Prävention in Familien und Regelschulen dringend geboten. Wissenschaftlichen Grundlagen für eine Intervention in die misslingende Entwicklung von hochbegabten Problemkindern gibt es außerhalb der psychiatrischen Forschung kaum, diese befasst sich jedoch mit bereits Betroffenen. Die Frage, wie verhindert werden kann, dass Jugendliche ohne Bildungsabschluss bleiben, ist aktuelles Thema der Bildungspolitik. In dieser Phase der politischen Bereitschaft zur Gestaltung können Forschungsergebnisse verstärkt wirksam werden. Die Frage, ob die Arbeitsweise von Regelschulen ein Risiko für die Begabungsspitze begründet, gehört eben so auf die Agenda wie die nach sozialpädagogischer Hilfe für Familien, die ein betroffenes Kind unterstützen müssen.